Eigentlich dachte ich, ich wäre enttäuscht vom dritten Band des israelischen Schriftstellers. Aber im Nachhinein stelle ich fest, dass Buch und Figuren mich noch immer beschäftigen, dass also das Buch einen Nachhall hat.
Junge Mutter zwischen Loyalität und erschreckendem Insiderwissen
Im Zentrum steht neben dem Ermittler, Kommissar Avi Avraham, die junge Mutter Mali Bengtsson. Ihr Mann kommt eines Tages stark verändert nach Hause, rückt aber nicht mit der Sprache raus. Wie weit geht ihre Loyalität zu ihm, wie geht sie mit aufkommenden Verdachtsmomenten um? Eine andere Frau wird in ihrer Wohnung tot aufgefunden; sie ist früher vergewaltigt worden, der Täter wurde verurteilt und sitzt noch im Gefängnis. Über allem schwebt die Frage: Wie kommen Frauen mit früheren Gewalterfahrungen klar? Und ihre Angehörigen? Das sind Fragen, die nicht sehr häufig im Kriminalroman behandelt werden. Mein Lob geht also an Dror Mishani, dass er es wagt.
Dror Mishani erzählt nicht linear bzw. chronologisch; stattdessen wählt er Rückblenden und Erinnerungen seiner ProtagonistInnen, um deren Vorgeschichten bis zum Finale aufzublättern.
So dauert es eine Weile, bis die Story so richtig in Gang kommt, aber dann hat sie es in sich.
Verwegen finde ich es, wie der Autor es wagt, nicht alle Motive und Beweggründe seiner Figuren bis ins Letzte aufzuklären. So lässt er sowohl die junge Mutter als auch den Kommissar in Zweifeln und Schuldgefühlen stecken, und er wagt es, uns LeserInnen ohne die klare Auflösung eines handelsüblichen Kriminalromans allein zu lassen.
Dror Mishani: Krimiautor und Literaturwissenschaftler
Dror Mishani, Jahrgang 1975, ist nicht nur Schriftsteller, sondern auch Übersetzer und Literaturwissenschaftler mit dem Spezialgebiet Geschichte der Kriminalliteratur. Sein Anliegen ist es, in seinen Krimis quasi nebenbei auch vom Alltag in Israel zu erzählen. Ich hoffe sehr, dass ein Könner wie Dror Mishani in künftigen Bänden das auch nach de Überfall der Hamas am 7. Oktober weiterführen wird.
Dror Mishani, Die schwere Hand, Deutsch von Markus Lemke, Diogenes, 325S., 14 Euro
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