Kann ein Krimi ohne professionellen Ermittler oder Ermittlerin funktionieren? Ganz egal, wenn das Buch so wunderbar ist wie „Darwyne“ von Colin Niel.
Ein Krimi mit einem ganz eigenen Klang
Darwyne ist ein körperlich leicht behinderter 10jähriger; er lebt mit seiner heißgeliebten Mutter im Slum im Amazonasdschungel. In der Schule wird er gemobbt; seine Behinderung macht ihn zum Außenseiter. Ein anonymer Anrufer alarmiert die Sozialarbeiterin Mathurine: Wird Darwyne misshandelt? Vielleicht von einem seiner wechselnden Stiefväter?
Direkt neben der Hütte von Darwynes Mutter beginnt der Dschungel; für die meisten Anwohner gefährliches Terrain, in dem sie sich schon nach wenigen Schritten verlaufen könnten. Darwyne und Mathurine jedoch entdecken eine Gemeinsamkeit: sie fühlen sich nirgends so wohl wie im Dschungel und finden sich dort mühelos zurecht. Für Mathurine ist klar: „Ein Kind wie Darwyne ist … das Beste, was der Planet erhoffen kann, um sich von dem zu erholen, was die Menschen ihm angetan haben, um die gekappten Verbindungen mit der Tier- und Pflanzenwelt wiederherzustellen, sichtbare und unsichtbare.“
Wie Colin Niel uns den Zauber des Amazonasdschungels mit Worten nahebringt; wie er immer tiefere Schichten von Darwynes verzweifelter Sehnsucht beschreibt, endlich von seiner Mutter geliebt zu werden; wie er uns Mathurines ebenso verzweifelten Wunsch miterleben lässt, endlich ein eigenes Kind lieben zu dürfen, das ist große Kunst. Und nebenbei ein Kriminalroman mit einem ganz eigenen Klang, der ganz ohne Polizei und ohne Privatdetektivin auskommt.
Colin Niel: Ein Evolutionsbiologe als Kriminalschriftsteller
Der Franzose Colin Niel hat Evolutionsbiologie und Ökologie studiert und als Agrar- und Forstingenieur gearbeitet, u.a. mehrere Jahre in Französisch-Guyana. Der mehrfach preisgekrönte „Darwyne“ ist sein siebter Roman, leider sind erst insgesamt drei davon bisher ins Deutsche übersetzt worden.
Colin Niel, Darwyne, Suhrkamp, Deutsch von Anne Thomas, 304 S., 18 Euro
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